Weiss

Weiss
Weiss,
 
1) Harald, Komponist, * Salzgitter 26. 5. 1949; studierte in Hannover und Hamburg (Schlagzeug, Komposition, Schulmusik), war 1973-84 Dozent für Schlaginstrumente an der Hochschule in Hannover, seit 1976 freischaffend tätig als Komponist, Regisseur und Schlagzeuger. Schrieb u. a. Orchesterstücke (»Nachtmusik«, 1974; »Szenen aus der Tiefe«, 1975), Kammermusik (Streichquartett »Gestanzte Gedanken«, 1978; »Wintergesänge«, 1986); Musiktheater (»Ade«, 1988; »Amandas Traum«, 1992; »Das Gespenst«, 1997), ferner Solo-Performance »Außer Abonnement - Geheime Sitzungen« (1990).
 
 2) [vajs], Jiří, tschechischer Filmregisseur, * Prag 1913; bedrückende Gestaltung des bürgerlichen Familienlebens in altmodischen, überladenen Interieurs; differenzierte Charakterschilderungen.
 
Filme: Er gehört mir (1957); Romeo, Julia und die Finsternis (1959); Mord auf heimische Art (1966); Martha und ich (1990).
 
 3) Peter Ulrich, Pseudonym Sinclair ['sɪȖkleə], Schriftsteller und Maler, * Nowawes (heute Babelsberg) 8. 11. 1916, ✝ Stockholm 10. 5. 1982; aus jüdischer Fabrikantenfamilie, emigrierte 1934 nach England; begann 1936 ein Studium an der Kunstakademie Prag; floh 1939 über die Schweiz nach Schweden. Seit 1946 schwedischer Staatsbürger; lebte in Stockholm. Weiss, der auch als Regisseur experimenteller und sozialkritischer Filme wirkte, schrieb zunächst in schwedischer Sprache. Er besuchte 1947 im Auftrag der Zeitung »Stockholms Tidningen« das Nachkriegsdeutschland, doch trafen seine Reportagen nicht den journalistischen Ton (Buchausgabe unter dem Titel »De besegrade«, 1948; deutsch »Die Besiegten«). Auch die Prosastücke »Från ö till ö« (1947; deutsch »Von Insel zu Insel«) hatten in Schweden keinen Erfolg. Der letzte Versuch, sich in schwedischer Sprache als Schriftsteller zu etablieren, war der Roman »Duellen« (1953; deutsch »Duell«). Erst seit 1960 gab es Veröffentlichungen von Weiss in deutschen Verlagen, zunächst die bereits 1952 entstandene experimentelle Prosa »Der Schatten des Körpers des Kutschers« (1960), ferner die autobiographische Erzählung »Abschied von den Eltern« (1961) sowie das politisch engagierte, komödiantische Urformen verwendende Theaterstück »Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade« (1964, überarbeitete Fassung 1965). Das Ringen um an modernen Autoren geschulte Ausdrucksweisen, die ihm auch den Zugriff auf die großen Fragen der Epoche eröffneten, bestimmten seitdem Weiss' literarische Arbeit. Als Emigrant und Bürger des neutralen Schweden sah er sich in die Zeitgeschichte mit gleichermaßen einfühlendem und distanziertem Blick einbezogen, so in dem umfangreichen Vietnam-Werkkomplex der Jahre 1966-68 (u. a. »Diskurs über die Vorgeschichte und den Verlauf des lang andauernden Befreiungskrieges in Viet Nam. ..«, 1968, Dokumentarstück). Später befragen Stücke wie »Trotzki im Exil« (1970) und »Hölderlin« (1971) auch die Radikalität der dort artikulierten Vorstellungen, besonders der ästhetischen Möglichkeiten des Dichters hinsichtlich der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit. Als Mitgestalter der 68er-Bewegung gründete Weiss sein Gesellschaftsbild weitgehend, doch nicht ohne kritische Distanz, auf die marxistische Weltanschauung. Das gilt auch für sein Hauptwerk, den Roman »Die Ästhetik des Widerstands« (3 Bände, 1975-81). Weiss lässt eine fiktive Gestalt, die das umfassende Wissen des Autors besitzt, als ein am Geschehen teilnehmendes Erzähler-Ich vom Kampf der deutschen Linken gegen den Faschismus in Deutschland, Spanien und Schweden berichten. Die pseudoautobiographische Anlage erlaubt es Weiss, das verzweigte Geschehen und das Nachdenken darüber in einem einheitlichen grandiosen Bewusstseinsstrom darzubieten, in den Reflexionen über Weltkunst und -literatur (so über den Pergamonaltar und über Dantes »Göttliche Komödie«) eingebettet sind. Das im Titel apostrophierte Pathos unterstellt freilich eine Hoffnung, deren Vergeblichkeit der Autor ahnen lässt. - Als Maler, Zeichner und Collagenkünstler blieb Weiss bis zu der schwedischen Retrospektive seines Gesamtwerkes 1976 (mit Ausnahme der eigenen Buchillustrationen) eher unbekannt. Er entwickelte in den späten 1930er-Jahren, ermutigt von H. Hesse, einen eigenen Stil des magischen Realismus mit expressiven und visionären Zügen. Eines seiner Hauptwerke ist der Collagenzyklus »Abschied von den Eltern« zur gleichnamigen Erzählung. Weiss erhielt neben anderen schwedischen und deutschen Auszeichnungen 1982 (postum) den Georg-Büchner-Preis.
 
Weitere Werke: Prosa: Fluchtpunkt (1962); Das Gespräch der drei Gehenden (1963); Nacht mit Gästen (1966); Der Fremde (1980, unter dem Pseudonym Sinclair erstmals als Privatdruck 1948 unter dem Titel Der Vogelfreie); Notizbücher. 1971-1980, 2 Bände (1981); Notizbücher. 1960-1971, 2 Bände (1982).
 
Dramen: Die Ermittlung (1965); Gesang vom Lusitanischen Popanz, in: Theater heute, Jahrgang 8 (1967); Wie dem Herrn Mockinpott das Leiden ausgetrieben wird, in: ebenda, Jahrgang 9 (1968); Der Prozeß, in: ebenda, Jahrgang 16 (1975, nach F. Kafka).
 
Ausgaben: Dramen, 2 Bände (1968); Stücke, 3 Teile (2-61988-89); Rapporte, 2 Bände (31991); Werke, herausgegeben von G. Palmstierna-Weiss, 6 Bände (1991).
 
 
Der Maler P. W., bearb. v. I. Bartsch, Ausst.-Kat. (1982);
 
P. W., hg. v. H.-L. Arnold (21982);
 R. Cohen: Bio-bibliograph. Hb. zu P. W.' »Ästhetik des Widerstands« (1989);
 J. Vogt: P. W. (11.-13. Tsd. 1993);
 S. Howald: P. W. zur Einf. (1994);
 
P. W. Neue Fragen an alte Texte, hg. v. I. Heidelberger-Leonard (1994);
 A. Bourguignon: Der Schriftsteller P. W. u. Schweden (1997);
 A. Kessler: »Schafft die Einheit!« Die Figurenkonstellation in der Ästhetik des Widerstands von P. W. (1997).
 
 4) Pierre, französischer Physiker, * Mülhausen 25. 3. 1865, ✝ Lyon 24. 10. 1940; ab 1903 Professor am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich, ab 1919 Leiter des physikalischen Instituts der Universität Straßburg, Mitbegründer der Schweizerischen Physikalischen Gesellschaft. Seine Forschungen galten zeitlebens dem Magnetismus. Er untersuchte besonders die Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung, fand das Curie-Weiss-Gesetz (Curie-Gesetz) und entdeckte die nach ihm benannten Weiss-Bezirke ferro- oder ferrimagnetische Stoffe sowie den quantenhaften Charakter der magnetischen Momente der Atome.

Universal-Lexikon. 2012.

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